Rico Apitz

18. Dez 2020

FDP fordert Wiederaufnahme der politischen Arbeit in Lichtenberg unter freiem Himmel

Am 10. Dezember 2020 ist wie bereits im November die Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg ausgefallen. Auch im März und April hatte es Corona-bedingte Absagen der BVV gegeben. Seit Mai sind keine Verbesserungen der Infrastruktur oder der Geschäftsordnung herbeigeführt worden, um die unbefriedigende Situation der BVV und ihrer Ausschüsse zu verbessern und um Vorkehrungen für eine mögliche zweite Welle der Pandemie zu treffen. Eine Kontrolle der Arbeit des Bezirksamtes findet nicht mehr statt. Dringende Anträge, wie z. B. zur Beschaffung von mobilen Raumluftfilteranlagen für Schulen, können nicht diskutiert werden.

Im Mai hat die FDP Lichtenberg die erheblichen Einschränkungen kritisiert und Vorschläge zur Verbesserung unterbreitet. Aber bis zuletzt hat das Videokonferenzsystem NextCloud Talk nicht funktioniert, um damit Sitzungen von Ausschüssen digital durchführen zu können. Nur wenn Teilnehmer private Konferenzräume zur Verfügung gestellt haben, waren Ausschüsse arbeitsfähig. Für Gäste gibt es deshalb große Hürden, die Zugangsdaten für Online-Sitzungen zu erhalten. Es gab keine Anstrengungen, hybride Sitzungen der BVV zu ermöglichen, also dass Videokonferenzteilnehmer per Video zur physischen Tagung hinzugeschaltet werden und zur BVV sprechen können. Nicht nur Bürgerinnen und Bürger, sondern auch Mitglieder des Bezirksamtes oder Bezirksverordnete in Quarantäne hätten so an Versammlungen teilnehmen können. Mit einer solchen Technik wären auch komplett digitale Sitzungen möglich.

Die FDP Lichtenberg fordert, dass eine Sonder-BVV online einberufen wird, die zwar ohne Änderung der Geschäftsordnung keine Beschlüsse fassen kann, die aber Anträge beraten kann, bevor sie anschließend schriftlich abgestimmt werden. Auch Berichte des Bezirksamtes, Fragen der Bezirksverordneten und Einwohneranfragen könnten stattfinden. Das ist besser als Beschlüsse ohne die Möglichkeit einer Aussprache zu fassen, wie es in einer kurzen Pressemitteilung des Bezirksamts Lichtenberg angekündigt wird.

Falls die Geschäftsordnung nicht durch schriftliche Abstimmungen, sondern nur im Rahmen einer Tagung der BVV geändert werden kann, sollte die BVV Lichtenberg nach dem Vorbild von Friedrichshain-Kreuzberg mit einer Sondersitzung unter freiem Himmel tagen. Dafür kommen beispielsweise das Zoschke-Stadion oder die Trabrennbahn Karlshorst in Frage.

Es darf nicht auf ein Abschwächen der Pandemie gehofft oder auf Gesetzesänderungen durch das Abgeordnetenhaus gewartet werden. Die geplante Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes würde eine BVV-Tagung frühestens im Februar ermöglichen. Außerdem sind trotzdem noch Regelungen durch die Geschäftsordnung erforderlich. Stattdessen müssen sofort Maßnahmen ergriffen werden, um die BVV Lichtenberg digital tagen zu lassen – so wie in Reinickendorf. Mindestens muss ein funktionsfähiges Videokonferenzsystem beschafft werden, wie es im Bezirk Treptow-Köpenick erfolgt ist. Es ist nicht einzusehen, warum das in Lichtenberg nicht auch möglich sein soll.

Die zur Novembersitzung eingereichten und im Dezember ohne Aussprache beschlossenen Ergänzungen der Geschäftsordnung schaden mehr als sie nützen. Durch eine Festschreibung der stark eingeschränkten Bürgerbeteiligung in der Geschäftsordnung entfällt jede Motivation, um nach besseren technischen und organisatorischen Lösungen zu suchen. Auf gar keinen Fall darf die seit Monaten nicht funktionstüchtige Technologie NextCloud durch die Geschäftsordnung für Videokonferenzen benannt werden. Stattdessen müssen produktneutrale Anforderungen an die technische Lösung gestellt werden. Auch die Anzahl der Gäste an Online-Sitzungen per Geschäftsordnung zu beschränken, zeigt das fehlende Bewusstsein der Verantwortlichen für die Bedeutung der Bürgerbeteiligung und für die bereits existierenden technischen Möglichkeiten.

Dass die Geschäftsordnung festlegen soll, dass Mehrheitsentscheidungen vor der eigentlichen Sitzung im Umlaufverfahren getroffen werden können, ist eine Kapitulation. Ohne vorherige Aussprache sollten keine Mehrheitsbeschlüsse (also Beschlüsse ohne Konsens) der BVV getroffen werden.

Die Geschäftsordnung sollte neben hybriden Sitzungen mit Präsenz vor Ort und gleichwertiger Teilnahme per Videokonferenz auch eine digitale Einbindung von Bürgerfragen ermöglichen. Auch für technisch nicht ausreichend ausgestattete Bürgerinnen und Bürger sollte in Räumen des Bezirksamtes eine digitale Teilnahme gewährleistet werden.

Wenn es nicht kurzfristig gelingt, online zu tagen, fordert die FDP Lichtenberg, dass die Einwohneranfragen schriftlich beantwortet und die Antworten veröffentlicht werden und nicht Monat für Monat aufgeschoben und aufgetürmt werden.

Der Bezirksvorsitzende und BVV-Spitzenkandidat der FDP Lichtenberg, Rico Apitz, kommentiert: „Es fällt schmerzlich auf, dass die FDP nicht in der BVV Lichtenberg vertreten ist. Mit einer klaren Strategie zur Digitalisierung der Kommunalpolitik hätte bereits im Sommer die Geschäftsordnung geändert werden müssen. Die digitalen Möglichkeiten müssen zu einer Verbesserung der demokratischen Prozesse und der Bürgerbeteiligung führen und dürfen nicht bisher Erreichtes wieder einreißen. Aktuell befindet sich die BVV Lichtenberg auf einem analogen Blindflug.“

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